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Gemeinsames Schreiben der Verbände an den Ministerpräsidenten

Der Bund der Richter und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt und der Verband der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes Sachsen-Anhalt drückten in einem gemeinsamen Schreiben vom 4. August 2021 an den Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff ihre Sorge über eine vermeintlich geplante Ernennung von Herrn Bildungsminister Tullner zum Justizminister aus.

Nach den Presseberichten in der Volksstimme sowie der Mitteldeutschen Zeitung gibt es offenbar Überlegungen, dem bisherigen Minister für Bildung, Herrn Marco Tullner, in der neuen Landesregierung das Justizressort zu überlassen. Damit würde mit Herrn Minister Tullner erstmals in der Geschichte dieses Landes (mit Ausnahme von Minister Püchel, der wenige Monate kommissarischer Justizminister war) ein Nicht-Jurist Justizminister. Dies bereitet beiden Berufsverbänden sehr große Sorgen vor dem Hintergrund, dass gerade in der jetzt begonnenen Legislaturperiode die Justiz und damit der Rechtsstaat in Sachsen-Anhalt personell wie sachlich auf eine harte Probe gestellt werden wird. Es gilt in den nächsten fünf Jahren die gerade beginnende Pensionierungswelle durch qualifizierte Neueinstellungen im richterlichen Dienst abzufedern. Dies allein stellt eine Aufgabe dar, die nach Auffassung der Verbände nur mit fachlichen Kenntnissen über die Justiz, die Richterschaft und die Dritte Gewalt insgesamt zu lösen ist. In den vergangenen zehn Jahren wurden Probleme teilweise übersehen oder falsch angegangen, die nunmehr akut sind und zwingend in den nächsten fünf Jahren zeitnah sachgerecht gelöst werden müssen.

Daneben hat die ehemalige Justizministerin Keding mit ihrer – derzeit noch andauernden – Personalpolitik innerhalb der Richterschaft wie auch unter potenziellen Bewerbern um ein Richteramt in den letzten Jahren großes Vertrauen verspielt. Hier braucht es einen Minister bzw. eine Ministerin, die fachlich wie persönlich in der Lage ist, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Auch dies gelingt nur mit einem hinreichenden Verständnis für das richterliche Amt.

Als weitere – wohl Jahrhundertaufgabe – gilt es, die Justiz in den nächsten fünf Jahren zu digitalisieren. Auch hier wurde in der Vergangenheit derart gravierende Fehler gemacht, dass die momentan digital nicht arbeitsfähige Justiz auf einen digitalen Stand gebracht werden muss, um ab dem 1. Januar 2022 Schriftsätze und Akten elektronisch empfangen und versenden und ab dem 1. Januar 2026 mit der sog. E-Akte arbeiten zu können. Auch hier darf keine weitere Zeit verloren gehen mit einem Justizminister, der nach seinem Lebenslauf keine hinreichenden Kenntnisse über die Arbeitsweisen und Abläufe innerhalb der Justiz haben kann.

Nach alledem und vor dem Hintergrund, dass Herr Minister Tullner nach der Kenntnis der Verbände über keinerlei politischer Erfahrung in der Dritten Gewalt verfügt und in der letzten Legislaturperiode als Bildungsminister fungierte, stellt sich die Frage, welchen Stellenwert der Rechtsstaat in Sachsen-Anhalt für die neue Landesregierung haben soll.