Pressemitteilung 3/2020
Der Verband der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes Sachsen-Anhalt fordert das Ministerium für Justiz und Gleichstellung auf, ein echtes Verplanungskonzept für seine Richter auf Probe zu erstellen, dass den Vorgaben zur Verplanung aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. September 2020 (Az. 1 M 92/20, noch unveröffentlicht) entspricht.
In dem o.g. Beschluss wies das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt die Beschwerde des Justizministeriums gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 10. Juli 2020 (Az. 5 B 187/20 MD, juris; vgl. dazu unsere Pressemitteilung 02/2020) zurück und bestätigte damit die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung des Justizministeriums, die Antragstellerin – eine Richterin auf Probe – weiterhin beim Verwaltungsgericht zu verwenden.
Das Oberverwaltungsgericht fand für die Zuweisungsentscheidung des Justizministeriums deutliche Worte, indem es feststellte, dass diese offensichtlich rechtswidrig, evident fehlerhaft und sachwidrig sei. Denn das Justizministerium habe die verfassungsrechtlichen Grenzen seines Ermessens nicht beachtet. Ist der Erprobungszweck eines Richters auf Probe erreicht – nämlich die Feststellung der Geeignetheit für die richterliche bzw. staatsanwaltschaftliche Tätigkeit – sei es verfassungsrechtlich geboten, dass das Justizministerium auf eine Ernennung des Proberichters zum Richter auf Lebenszeit hinwirke. Das Grundgesetz gehe nämlich davon aus, dass die Gerichte grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern besetzt sind und dass die Heranziehung von Richtern auf Probe nur in den Grenzen erfolgt, die sich nach verständigem Ermessen aus der Notwendigkeit, Nachwuchs heranzubilden, oder aus anderen zwingenden Gründen ergeben. Die Verwendung von Richtern auf Probe – die diese persönliche Unabhängigkeit nicht besitzen – müsse daher die Ausnahme bleiben. Soweit ein Proberichter die Voraussetzungen für eine Ernennung auf Lebenszeit erfülle und daher ernennungsreif ist, entfalle die Erforderlichkeit der Aufrechterhaltung des Richterverhältnisses auf Probe zur Nachwuchsheranbildung und seine Ernennung als Richter auf Lebenszeit müsse erfolgen.
Die Vorgabe, dass der Richter auf Probe spätestens nach fünf Jahren nach seiner Ernennung in ein Amt auf Lebenszeit zu ernennen ist, stelle demnach keine Regel-, sondern eine Ausnahmefrist dar. Danach habe sich das Justizministerium bereits mit Eintritt der Ernennungsreife nach drei Jahren, spätestens jedoch nach Beendigung des vierten Erprobungsjahrs darüber schlüssig zu werden, welches Statusamt (in welchem Gerichtszweig) dem Proberichter übertragen werden solle. Hiernach habe sich auch die weitere Verwendung des Proberichters bis zu seiner Lebenszeiternennung auszurichten. Sie müsse mit der perspektivischen Verplanung in Einklang stehen.
Diesen Grundsätzen wurde das Justizministerium nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht gerecht. Das Justizministerium gehe nämlich bislang fehlerhaft von einer weitgehend uneingeschränkten organisatorischen Ermessensfreiheit des Dienstherrn während der gesamten Probezeit aus.
Der VRV Sachsen-Anhalt erwartet nach dieser für das Land Sachsen-Anhalt letztverbindlichen Entscheidung vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung in Gestalt sowohl der Ministerin als auch denjenigen Mitarbeitern, die über die Belange der Richter auf Probe zu entscheiden haben, diese verbindlich festgestellten Grundsätze nunmehr anzuwenden. Das bedeutet, dass bei allen Richtern auf Probe, die sich bereits seit drei Jahren im richterlichen Dienst befinden, unverzüglich geprüft werden muss, wo diese Richter verplant werden können und dementsprechend auch Planstellen ausgeschrieben werden, um sowohl den Vorgaben aus dem Grundgesetz zu entsprechen als auch die richterliche Unabhängigkeit der Gerichte im Land Sachsen-Anhalt zu sichern. Vor dem Hintergrund, dass auch das Justizministerium an Recht und Gesetz gebunden ist, lässt sich ein anderes Agieren nach Auffassung des VRV Sachsen-Anhalt nicht mehr rechtfertigen.
Das Oberverwaltungsgericht hat daneben unanfechtbar entschieden, dass sich die Verwendung des Richters auf Probe an seiner Lebenszeiternennung auszurichten habe. Insoweit muss sich das Justizministerium schon bei Ernennung des Richters auf Probe darüber im Klaren sein, wo dieser Richter verplant werden solle. Dies gelingt dem Ministerium nur mit einem – wie in anderen Bundesländern üblichen – echten Verplanungskonzept.
Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit erwarten wir, dass der durch den Personalbedarf nicht mehr zu rechtfertigende Besetzungsstopp sein Ende findet. Denn das Oberverwaltungsgericht entschied auch, dass beim Verwaltungsgericht Magdeburg perspektivisch ein Personalbedarf bestehe. Beim Verwaltungsgericht Magdeburg sind derzeit 22 Richterinnen und Richter verplant. Dem stehe nach der vom Justizministerium erstellten Personalbedarfsberechnung für das Jahr 2020 ein Bedarf von 26,46 Arbeitskraftanteilen (AKA) gegenüber. Dieser Bedarf übersteige – wie auch in den vorangegangenen Jahren (2014: 25,71 AKA, 2015: 36,14 AKA, 2016: 36,63 AKA, 2017: 41,30 AKA, 2018: 35,49 AKA) – die Zahl der Planrichterstellen erheblich. Soweit sich das Justizministerium auf einen „Trend“ stark rückläufiger Verfahrenseingänge berufe, sei diese Tendenz wesentlich durch die allgemeinbekannte Ausnahmesituation des drastischen Anstiegs der Fallzahlen im Asylrecht verursacht und habe sich zuletzt nicht weiter fortgesetzt. Sofern das Justizministerium neuerdings einen Zeitraum von wenigen (drei oder sechs) Monaten für die Berechnung des Personalbedarfs heranziehe, der den vom Ministerium zur Erlangung valider Ergebnisse sonst zugrunde gelegten Betrachtungszeitraum von zwölf Monaten auf einen Bruchteil verkürzt, sei dies offenkundig nicht ausreichend, um eine aussagekräftige Prognose für das Jahr 2021 zu treffen. Ein solches Vorgehen überschreite nach Auffassung der Richter die Grenze zur Beliebigkeit.
Ein Personalbedarf von 27 AKA stehen spiegelbildlich 9 Kammern gegenüber. Derzeit verfügt das Verwaltungsgerichts Magdeburg aber nur über 7 Vorsitzende. Auch hier erwarten wir, dass die offenen Vorsitzendenstellen nunmehr besetzt werden. Weiter ist seit nunmehr zwei Jahren beim Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt entsprechend seiner Bedarfe eine Vorsitzendenstelle zu besetzen, die ebenfalls nicht durch das Justizministerium ausgeschrieben wird. Auch hier fordern wir, dass eine Besetzung nunmehr erfolgt.
Der Vorstand